001. "Mediterraneum" | Projekt B2 - Integriertes Projekt (IP)
Bearbeitung in 6er Gruppen:
Hans Simon Becker-Wahl | Emily Hug | Alisa Maiworm | Angel Monev | Moritz Waldhelm | Marius Wissler
Semester: 04. Bachelorsemester
Beteiligte Lehrgebiete: Lehrstuhl für Baukonstruktion - Univ.-Prof., Dipl.-Ing. Hartwig Schneider | Lehrstuhl für Tragwerklehre - Univ.-Prof., Dr.-Ing. Martin Trautz | Lehrstühl für Gebäudetechnologie - Univ.-Prof., Dr.-Ing. Dirk Henning Braun
Ort: Karlrobert-Kreiten-Straße, Bonn
In dem integrierten Projekt (IP) entstand unter Federführung des Lehrstuhls für Baukonstruktion, in Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen für Tragwerklehre und Gebäudetechnologie das „Mediterraneum“ als neues Schaugewächshaus zu Demonstrations- und Forschungszwecken für die Universität Bonn, unweit des Poppelsdorfer Schlosses. Auf rund 750m² Grundfläche entstehen Bereiche für die mediterranen Pflanzen, Gartenpflege, Verwaltung, Technik und Besucher.
Die komplexe Gesamtstruktur Bauwerk, bestehend aus Konstruktion, Tragwerk, Hülle, Ausbau und technischer Ausstattung wird durch die Zusammenarbeit der drei Lehrstühle intensiviert und durch die Bearbeitung in 6er-Gruppen bis hin zur Werk- und Detailplanung vertieft. Der Kontrast zwischen Schwere und Leichte, das Spiel von Licht und Schatten, das Einbeziehen der Umgebung in das Innere hinein - dies sind die charakterbildenden Eigenschaften des Entwurfs zu dem Mediterraneum.
Die massive Sockelzone bildet das Fundament für die auf ihre liegende Ringnetzkuppel. Der Ring aus Dämmbeton beherbergt alle Nebenräume (Büro, Gärtnerei, WC-Anlagen, Eingangsbereich, Treppenräume), sowie die haustechnischen Anlagen für die Klimatisierung des Mittelmeerhauses. Durch das schrage abschneiden des Sockelbereichs wird der Eingangsbereich betont und der ungerichteten Kuppel wird eine Hauptachse gegeben, welche sich in Richtung des neuen Campus der Universität Bonn öffnet. gegenüberliegend öffnet sich die Innenraum durch den Tiefpunkt in Richtung des Poppelsdorfer Schloss' und bezieht so die Umgebung in das Innere des Mittelmeerhauses ein. Über drei Stufen im Tiefpunkt des Sockels lässt sich dieser beschreiten und ein zweiter Weg, über der Grundebene ermöglicht neue Blicke auf die Pflanzenwelt. Regenwasser kann ungehindert im Tiefpunkt ablaufen.
Die Ringnetzkuppel umhüllt dieses Biotop, ohne es von seiner Natur abzugrenzen und den Passanten auf diese Weise bereits von außen mit in das Innere einzubeziehen. ETFE-Folienkissen bilden die äußere Hülle und treten für den Besucher nur durch den aufgedruckten Sonnenschutz im Süden in Erscheinung.
Das Tragwerk der Kuppel ruht auf einem in den Sockel eingelassenen STB-Ringanker, welcher die Querkräfte der Kuppel aufnimmt und in den Sockel ableitet. Das Tragwerk an sich gliedert sich in sechs Ringe, welche in gleichschenklige Dreiecke unterteilt sind, sodass diese aus lediglich 18 verschiedene Stäbe und sieben Gusseiserne Knoten konstruiert wird. Die Dimensionierung erfolgte mittels Grapho-Statik und Cremonaplan mit anschließender Berechnung auf Normalkraft.
Die Form der Kuppel ermöglicht eine hybride Klimatisierung durch einen Mix aus natürlicher- und mechanischer Belüftung. Im Sommer strömt die kühle Luft über die in dem Sockel integrierte Haustechnik in das Mittelmeerhaus, wo es sich erhitzt, nach oben steigt und über das Opaion entweichen kann. Im Winter strömt die Warme Luft an den Kühlen ETFE-Kissen vorbei, sinkt ab und wird durch die Sonne wieder Erwärmt, wodurch sich eine natürliche Luftzirkulation einstellt.
002. "Campus Katalysator" | Projekt M1 - Struktur und Charakter
Bearbeitung in Einzelarbeit:
Hans Simon Becker-Wahl
Semester: 01. Mastersemester
Beteiligtes Lehrgebiet: Lehrstuhl für Baukonstruktion - Dipl.-Ing., Univ-Prof. Hartwig Schneider | Co-Prüfung: Prof. Mirko Baum
Ort: Schinkelstraße 13, Aachen
Im Zuge einer Neugestaltung des Campus-Mitte der RWTH Aachen soll ein Entlastungsparkhaus mit 250 Stellplätzen für die zur Zeit kleinen, vereinzelten Parkflächen auf dem Gebiet unter einem Dach bündeln, um auf den frei werdenden Fläche "Grüne-Oasen" zu errichten. Auf deise Weise soll sich die Lebens-, Arbeits- und Lernqualität auf dem Campus verbessern.
Im Zuge einer nachhaltigen Verkehrsplanung sieht das Konzept des neuen Entlastungsparkhaus' vor, dieses am Ende seiner Nutzungsdauer, wenn die Verkehrswende zu einem sinkenden Angebot des individuellen Personenverkehrs geführt hat, zu einem Habitat der Studierendenschaft werden. In dem ehemaligen Parkhaus sollen in seiner zweiten Zyklus Arbeits- und Lernräume, sowie eine Bibliothek, als auch Flächen für Lehr- und Forschungsgebiete integriert werden.
Bei der integrativen Planung von Auto und Mensch kollidieren unterschiedliche Ansprüche bei Verkehrswegen, Brandschutz, Sanitären-Anlagen und der allgemeinen Erschließung. Aufgrund dessen sieht die Planung ein trennen von unterschiedlichen Verkehrswegen vor, bei der Fußgänger, Autoverkehr und Radverkehr unabhängig voneinander agieren. Dem eigentlichen Parkhaus ist eine Laubengangkonstruktion vorgesetzt, welche als Verkehrsfläche für die Personen des Parkhauses dient und in der zweiten Phase zu Balkonen umgewandelt wird. In einen Spalt zwischen Parkhaus und Laubengang kann für die zweite Phase eine hölzerne Elementfasse eingebaut werden. Für eine effiziente Nutzung des Raums sollen Bereiche der Geschossdecken reversibel gestaltet werden, sodass die Niedrigen geschosshöhen des Parkhauses verdoppelt werden und so zu nutzbaren Bereichen des studentischen Arbeitens werden. Im Schnitt ergeben sich mäandrierende Geschossdecken, die wie Zahnräder ineinandergreifen. In der niedrigen Mittelzone werden dienende- und Flurbereiche untergebracht. Alle sanitären Einrichtungen werden als eigenständige Elemente an das bestehende Parkhaus angesetzt, sodass keine Eingriffe in die primäre Struktur des Gebäudes notwendig sind, um die Umnutzung von Parkhaus zu Arbeitswelt zu ermöglichen.
003. "Die Freiheit der Festsetzung" | Projekt M2 - selbstgestelltes Thema
Bearbeitung in Partnerarbeit:
Hans Simon Becker-Wahl + Moritz Waldhelm
Semester: 03 + 04. Mastersemester
Beteiligtes Lehrgebiet: Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof., Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt | Co-Prüfung: Dipl.-Ing. Wolfgang Zeh
Ort: Gelsenkirchener Straße, Köln
Die Freiheit der Festsetzung beschäftigte sich über ein Jahr mit der Frage ob, und wie die Architektur den Nutzer „erzieht“ und auf welche Weise sich der Nutzer die Architektur aneignet. Ausgangspunkt ist die Analyse der Beziehung zwischen Mensch und Architektur, der Erziehung in (Erziehung in architektonischen Räumen), über (z.B. Architekturgeschichte) und durch (der Raum an sich soll seinen Nutzer erziehen) Architektur und dieser als Medium (die Architektur als Übermittler einer Intention durch den Gestalter) der Kommunikation. Die Analyse unterschiedlichster archetypischen Räume (Bad, Küche, Zelle, KiTa, Refektorium, Turnhalle) auf Basis der ihnen zu Grunde liegenden rechtlichen Bedingungen und der Aneignung durch die Nutzer, sind die Grundlage, für daraus entstandene kleinere Intermezzi aus denen sich schließlich der Entwurf zu einem sozial geförderten Wohnungsbauprojekts am nördlichen Grüngürtel Kölns entwickelt.
Ausgangspunkt für die Analyse des erzieherischen Charakters der Architektur ist ein „Zeitstrahl des lebenslangen Lernens“, auf dem verschiedenste architektonische Räume aufgelistet sind, in denen - im weitesten Sinne - erzogen wird. Dabei wird unterschieden in schulische, institutionelle, freizeitliche, gesundheitliche, kulturelle und theologische Erziehung, sowie in Räumen der Freizeit, denen des Individuums, denen der Gemeinschaft oder solchen denen bestimmte Funktionen zuzuordnen sind. Aus diesem Zeitstrahl wurden sechs Analyseräume (Zelle, Küche, Bad, KiTa-Gruppenraum, Refektorium, Turnhalle) gefiltert, die diesen Zeitstrahl möglichst in Gänze repräsentieren, um darauf aufbauend eine architektonische Analyse des Raums zu starten.
Diese Analyse bedient sich einheitlichen, vergleichbaren Parametern – Normen und Regeln – die für die gewählten Räume charakterisierend sind.
Durch eine große Bandbreite an unterschiedlich verbindlichen Festsetzungen entsteht ein breit gefächertes Bild der „erzieherischen Architektur“. Dem gegenüber steht die individuelle Aneignung durch die Nutzer, welche immer versucht, Lücken in den Vorgaben für sich zu nutzten. Es ist „Die Freiheit der Festsetzung“.
Aus dieser Raumanalyse sind im zweiten Schritt architektonische Konzepte entstanden, die jeweils einen Punkt der vorangegangenen Analyse aufgreifen – die Intermezzi. Sie beschäftigen sich u.a. mit einem alles-könnenden architektonischen Raum, dem Tagesablauf als Strukturgeber und Ausgang für eine darauf aufbauende Architektur, den Fibonacci-Zahlen als Rahmen für die architektonische Planung oder dem Entwerfen aus vorgegebenen Regeln.
Die Kombination der theoretischen Analysen mit den Intermezzi führt im letzten Schritt zu dem architektonischen Entwurf, welcher Theorie und Praxis zu verbinden versucht. Ausgangspunkt sind die Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus, welche durch die Konzepte der Intermezzi aufgeweicht werden und so einen "neuen sozialen Wohnungsbau" generieren. Dabei werden alle Entwurfsentscheidungen in einer „Bauordnung“ niedergeschrieben, welche den Entscheidungs- und Entwurfsprozess veranschaulicht und analog zu dem Zeitstrahl des lebenslangen Lernens graphisch aufgearbeitet ist.
Entstanden ist ein Wohnkomplex am nord-östlichen Ende des linksrheinischen Grüngürtels in Köln. An dieser Stelle wird das Gebiet durch eine Hochbahn in zwei Bereiche geteilt, den nördlichen Wohngebieten und dem südlich gelegenen Park. genau an diesem Übergang bilden fünf Baukörper den Übergang zwischen Wohnen und Landschaft. Die Baukörper verbinden gerichtetes und ungerichtetes System (freie und starre Planung) in der Form des Gleichdicks miteinander, welches Kreis und Dreieck miteinander vereint und so dem ungerichteten Kreis eine Richtung verleiht. Zwischen den Baukörpern, die zum Park hin ausgerichtet werden und ihre Eingänge als Lärmwand zur Hochbahn gelegen sind, kann die Natur in das nördliche Wohngebiet hineinströmen.
Den fünf Gebäuden sind unterschiedliche Konzepte eingearbeitet, welche sich aus den vorangegangen Intermezzi ergeben. So entwickelt sich die Architektur von einem starren sozialen Wohnungsbau in Haus 1 im Westen zu einem völlig frei interpretierten, wenngleich ebenso sozialen Wohnungsbau in Haus 5 im Osten. Im verlauf von West nach Ost werden Ideen und Konzepte in den sozialen Wohnungsbau eingearbeitet, sodass sich dieser fortlaufend aufweicht. So wird ein eigens Maßsystem auf Basis der Fibonacci-Zahlen eingeführt, der Wohntyp der Zelle, die Wohnungen ausgerichtet und schließlich Maisonettwohnung integriert, die dem Tagesablauf nachempfunden sind.
004. "3 Könige" | Projekt M3 - Masterthesis
Bearbeitung in Einzelarbeit:
Hans Simon Becker-Wahl
Semester: 05. Mastersemester
Beteiligte Lehrgebiete: Lehrstuhl für Architekturgeschichte - Univ.-Prof., Dr.-Ing. Anke Naujokat | Co-Prüfung: Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof., Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt
Ort: Zürcherstraße 7, Rheinfelden (CH)
Durch die unmittelbare Verbundenheit von Architektur und Ort, entstehen zwischen beiden ein untrennbares Band, von welchem sich weder der eine noch die andere trennen kann – der Kontext. Der Kontext des ehemaligen Gasthauses "Drei Könige" hat sich seit seiner Erbauung im 18. Jahrhundert – und besonders in den Jahrzehnten der 1970er und -80er Jahre – wesentlich verändert, ohne, dass sich die Architektur angemessen an ihren veränderten Kontext angepasst hat. Zu Zeiten der Grundsteinlegung des Gasthauses – damals noch eine Taverne – war es Pionier einer neuen städtischen Disposition vor den Toren der Stadt, außerhalb der gesicherten Mauern. Das Gebäude widersetzte sich großen Antipathien und bereitete so den Auftakt der Stadterweiterung Rheinfeldens in ihr Umland.
Bereits im Jahr 1739 fasst der Ochsenwirt Peter Kahlenbach den Entschluss, vor den Toren der Stadt Rheinfelden ein Gasthaus für Reisende zwischen Augst und Möhlin zu errichten. Als Standort wählte er eine Kreuzung der Landstraße Richtung Zürich in der östlichen Vorstadt, an der bereits seit dem 14. Jahrhundert eine Taverne, welche als Batzenhäusel bezeichnet wurde, stand. Im Frühmittelalter stand vermutlich an dieser, oder in der Nähe dieser Stelle, die alte römische Zollstation Caistena Cassangita. Kahlenbach erwarb die Taverne mitsamt dem Wirtshausrechts mit dem Ziel, Händlern und Reisenden eine Unterkunft vor den Toren der Stadt zu geben, welche es nicht mehr bis zu dem Schließen der Stadttore in die selbige geschafft hatten. 24 Jahre später, 1763 - Peter Kahlenbach war bereits verstorben - legte seine Witwe Anna-Maira den Grundstein für das heutige "Drei Könige".
In seiner 250 Jahre währenden Historie blickt das Gebäude auf unzählige Um-, An- und Neubauten zurück, die auf dem Gelände, an dem Haus selber oder in seiner direkten Nachbarschaft den Kontext veränderten. Von seinem einstigen Chamre ist nach der letzten großen Instandsetzung nur wenig übrig geblieben. Es wurde überformt. Heute blättert die Farbe ab, Wände sind verblichen, Räume zugestellt, Böden verändert, das Dach marode. Auch deswegen steht heute nur das alte Wirtshausschild unter Denkmalschutz, welches sich heute im Friktaler Museum beschauen lässt. Doch auch die Kopie, welche heute am Haus hängt steht unter Schutz und übt eine nicht weiter definierte Schutzwirkung auf seine Umgebung aus.
Der Bau der Bahntrasse Basel-Zürich und die Errichtung der Schnellstraße waren die ersten großen Eingriffe in den Kontext des Gasthauses und wandelten die Situation von einem vorstädtischen, landschaftlichen Gebiet in eine urbane Gegend. Spätestens mit der Unterführung der Bahntrasse und der damit einhergehenden Tieferlegung der Zürcherstraße, sowie der Errichtung der Wohnhochhäuser auf dem Gebiet des ehemaligen Kurparks, verschwand der bauzeitliche Charakter des Gasthauses in Gänze. Seine Adressbildung wird zunehmend schwierig, sein ursprünglicher Kontext verschwand, doch ein neuer, urbaner, von Verkehr geprägter Kontext, nimmt seine Stelle ein. Die Lösung dieses Konflikts, die Adressierbarkeit, die Einfügung des Gasthauses in seinen neuen Kontext sind die zentralen Aufgaben der Entwurfsarbeit.
Start der Masterthesis ist aufgrund dessen zunächst die Dokumentation des Bestands und die Eiordnung aller Elemente nach den Wertekategorien, um herauszufinden, welche Bestandteile neben dem Wirtshausschild von Bedeutung sind und erhalten bleiben sollen. So zeigt sich, dass im Wesentlichen der ursprüngliche Kernbau (1763) mit seiner Saalerweiterung (1850-1870) von besonderer Bedeutung sind, um den charakterprägendem Bild zu entsprechen und seine Qualitäten herauszuarbeiten.
Durch den veränderten Kontext wird die einstige Hauptfassade entlang der Zürcherstraße nur noch zur Schaufassade, die Erschließung erfolgt nun Rückwertig, sodass dort ein neues lebhaftes Quartier entstehen soll, wodurch dem Altbau neues Leben eingehaucht wird.
Ein Ensemble aus insgesamt vier Baukörpern, positioniert auf Bauflächen um den Altbau herum, mit Wahrung der bestehenden Vegetation, umspielt den Bestand und Fungiert, arrangiert in einer Abfolge von Plätzen, als Transit- und Aufenthaltsort für die Rückwärtige Nachbarschaft und dem neu entstandenen Quartier. Die Erdgeschosszonen sind als städtischer Raum ausgebildet und private Rückzugsorte finden sich auf den Dächern der Neubauten. Die Einschalige Wand dient als konstruktives Bindeglied zwischen Bestand und Neubau. Ausgebildet als Bruchsteinmauerwerk bzw. Infraleichtbeton behalten die Neu- und Altbau dennoch ihre Ablesbarkeit bei.
005. "Despina" | Entwurf - Strategien des Entwerfens
Bearbeitung in 3er-Gruppen:
Hans Simon Becker-Wahl | Lukas Suter | Moritz Waldhelm
Semester: 01. Mastersemester
Beteiligter Lehrstuhl: Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof., Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhard | In Kooperation mit den Lehrstühlen für Raumgestaltung, Bauplan und Wohnbau
Ort: Despina - Die Städte und der Wunsch 3 (nach Italo Calvinos Buch: Le città invisibili, Giulio Einaudi editore S.p.A., Turin 1972. Übersetzt von Burkhart Kroeber, Die unsichtbaren Städte, Fischer, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2013.)
Eine Kurzgeschichte über eine nicht existierende, rein imaginäre Stadt, als Ausgangspunkt für ein dystopisches Architekturkonzept.
I. Konzept und Idee
Despina
Wie kann einer Stadt mehrere denotierte Bedeutungen innewohnen? Despina ist mehrdeutig, sie ist Kamel und Schiff zugleich – oder weder noch. Die Interpretation der Stadt ist stark subjektiv, abhängig von der Herkunft und den Erlebnissen des Besuchers.
Despina vermag es eine Stadt zu sein, die zwischen zwei Extremen steht, zwischen der Meereswüste und dem Wüstenmeer und bildet ein Bindeglied zwischen beiden. Despinas Stärke liegt in der extremen Anpassungsfähigkeit, die eine solche Verbindung erfordert.
Despina ist eine Stadt, entstanden aus Sehnsüchten und doch nicht der Sehnsuchtsort, sondern lediglich ein Zwischenziel einer langen Etappe, hinaus aus den Wüsten.
Das Schiff
Das Schiff ist ein Symbol der Reise und der Sehnsucht. In der Romantik symbolisierten Segelschiffe die Reise in ein neues Zeitalter, den gesellschaftlichen Umbruch. Im Traum stehen sie als Zeichen für den Wunsch nach Ausgewogenheit und Gleichgewicht. In der ägyptischen Mythologie sind Schiffe vor allem Fähren zwischen der Überfahrt von Leben zu Tod. Schiffe sind also Zeichen der Veränderung und der Sehnsucht der Ferne.
Matrosen verbringen ihr Leben auf dem Wasser, das Schiff ist ihr Zuhause und ihr Weg an ein nicht vorhandenes Ziel. Ihre Ziele ändern sich laufend, jedes Ziel, jeder Hafen ist nur eine Etappe einer langen Reise ohne Ende in Sicht. Das Leben auf dem Land ist die Ausnahme, es ist ungewöhnlich, denn ihr natürliches Habitat ist das Wasser. Und so ist das Wasser Fluch und Segen zugleich. Matrosen sind die Nomaden des Wassers.
Das Kamel
Als Wüstenschiff im Sandmeer kann das Kamel als Äquivalent des Schiffs auf Land verstanden werden. Sie sind Transportmittel einer Gruppe von Nomaden, die keinen festen Wohnsitz haben. Ein Leben mit Kamel hat einen temporären Charakter. Zelte bilden die Häuser und Trampelpfade die Straßen. Ihre Wege sind geleitet durch die Natur, nicht der kürzeste Weg führt an das Ziel, sondern der leichteste. Und so schaukeln die Nomaden auf dem Rücken des zähen Wüstenschiffs durch die Wellen der Dünen in den Hafen der Stadt, in eine Oase der Wüste, die nur einen Zwischenstopp auf einer unendlichen Reise darstellt.
Kamel & Schiff
Die Habitate, die der Mensch durchreist, sind von Lebensfeindlichkeit geprägt. In der Wüste ist der Wunsch nach Wasser groß, es ist das Lebenselixier für die Entstehung von urbanen Strukturen. Auf dem Meer sehnt sich der Matrose jedoch nach Festland und das Wasser wird eher Feind als Freund. So bleibt die Stadt der innige Wunsch nach einem Ausweg aus der Lebensfeindlichkeit und einmal angekommen übermannt einen der Wunsch diese wieder zu verlassen.
Auf zwei Arten versucht der Mensch Habitate anderer Lebewesen zu durchqueren. Der Mensch bedient sich der Technik und Lebewesen aus dem Tierreich um seine eigenen Schwächen zu kompensieren. Kamel und Schiff dienen beide dem Lasten- und Menschentransport für lange Strecken ihn dem für sie idealen Territorium. Sie sind perfekt an ihre Umgebung angepasst, eine Fähigkeit, die der Mensch nur in begrenzter Weise auszuüben vermag. Schiffe und Kamele befinden sich die meiste Zeit außerhalb des sicheren Hafens, sie sind ständig unterwegs ihr Zuhause ist das Meer und die Wüste. Die Reise ist nicht die Ausnahme, sondern die Lebensweise, so bleibt auf ewig der Weg das Ziel.
II. Strategie und Methode
Die Welt ist ein even covered field. Sie ist umspannt von einem allumfassenden Netz, einem Grid, indem alles Teil eines großen Ganzen ist. Das übergeordnete Grid muss sich nicht den Gegebenheiten der Natur und der urbanen Bereiche unserer Welt anpassen. Das neutrale Grid ist starr, und ein Versuch, die chaotische Welt zu gliedern und zu ordnen. Es passt sich nicht an – es ist die einzige Konstante. Die Form des Grids entscheidet über die spätere Entwicklung der in dem even covered field geordneten Welt. Dabei ist das Grid die dreidimensionale Projektion eines zweidimensionalen Rasters auf eine kugelförmige Welt. Die quadratische Grundform bietet sich aufgrund ihrer endlosen Erweiterbarkeit und Replizierbarkeit an, wobei es in gleichem Maße keine eindeutige Richtung aufweist - es ist ungerichtet und wahrt somit seine Neutralität. Städtische Strukturen erheben sich an Ankerpunkten aus diesem Grid und nehmen dabei eine Mischform der geometrischen Formen von Welt und Grid ein. Eine dreidimensionale Kugel und ein zweidimensionales Quadrat überlagern sich zu einem extrudierten Kreis. Despina ist ein Stück dieses Mosaiks aus Natur und Tier. Die Welt ist eine Stadt und jede Stadt in dem Grid ist ein Stadtteil. Die Welt ist eine "Non-Stop City".
Despina ist ein Transitort, ein Ort, der nicht zum Verweilen einlädt, ein Ort, der nur Einem dient - dem Weiterziehen. Er wird gestaltet von der ihn nutzenden Gesellschaft, eine die geprägt ist von Nomadentum, von Schnelllebigkeit, Reisen und Durchreisen. Ein ewig währender Kreislauf am Umschlagpunkt zwischen Sandmeer und Meereswüste. Ein Ort, der weder Meer noch Wüste ist. Eine Stadt, die niemals das Ziel, sondern immer nur ein Wegpunkt ist.
Ebenso handelt es sich bei den Städten nicht um fixe Architekturen, sondern um räumlich flexible Elemente, die auf die Umgebung und die Topografie reagieren. Es gibt keinen Stillstand, der Wandel ist der Motor der Gesellschaft. An Stellen, an der sich die Struktur über dem Meer befindet senkt sich diese ab und fragmentiert sich in einzelne kleinere Inseln, um das Anlegen und Passieren von Booten zu ermöglichen. Wüstenseitig erhebt sie sich, um die Kamele in die Stadt willkommen zu heißen.
Despina ist in vielerlei Hinsicht mehrdeutig, sowohl in Bezug auf ihre Gestalt wie auch im Hinblick auf ihre städtebauliche Struktur. Sie ist das meiste, wie gleichzeitig auch wenigste an Struktur, die eine Stadt haben kann.
Der ewig währende Kreislauf der Nutzung von Despina manifestiert sich in einem ringförmigen Gebilde. Die Stadt als Ring hat kein Stadtzentrum, welches zum Verweilen einlädt, sondern ist eine reine Transitstadt. Despina bietet wenig Aufenthaltsqualitäten, im Gegenteil konzentriert sie sich auf ihre Nutzung, dem Reisenden zwischenzeitlich Schutz zu bieten, im festen Bewusstsein nur ein Abschnitt einer weiten Reise zu sein, welcher nach kürzester Zeit wieder verlassen wird. Man hält sich nicht länger als eben nötig in Despina auf, wartet auf seinen Anschluss oder füllt seine Vorräte auf. Doch nicht nur für die Reisenden ist Despina eine temporäre Erscheinung, auch Waren und Güter werden lediglich umgeschlagen, bevor sie ihre Reise fortsetzten. Despina ist ein großer Hafen. Ein Hafen für Mensch und Gut. Ein Hafen als Ort in einer sich ewig fortsetzenden Stadt.
Der städtische Ring hat einen Maßstab, der sich dem Betrachter nicht direkt erschließt. Es handelt sich um einen relativen Maßstab. Jeder Betrachter projiziert seine eigenen Vorstellungen und Erwartungen der Stadt auf die ringförmige Leinwand. Der Seemann sieht in diesem Ring das Symbol seines nächsten Reiseabschnitts - das Kamel. Die Karawane sieht in dem Ring seine Oase - ein Segelschiff.
Im Inneren entsteht ein Chaos aus Komplexität und Verwirrung, das geprägt ist von einer langen Nutzungsgeschichte. Mensch und Tier eignen sich die Umgebung an, und gestalten sie nach ihren Wünschen. So wächst die Stadt in dem Grid ewig weiter, wie Jahresringe eines Baums lässt sich das Alter der Stadt ablesen. Konzentrische Kreise versuchen das Chaos zu ordnen. Doch Despina ist kein Ruheort. Kein Besucher bleibt lange genug um sich um Despina zu kümmern. Die Stadt verlottert und entwickelt eine Ästhetik aus der Unordnung und dem Dreck, der sie umgibt und aus der sie entsteht. Despina ist kein aufgeräumter, sauberer Ort, sondern eine Struktur, an der sich die Nutzung ablesen lässt, ihr Leben einhaucht und die durch jene Nutzung und die Wüsten geformt wird.